Der Innenausschuss des Hessischen Landtag ist heute zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um sich von Innenminister Peter Beuth (CDU) über den Sachstand in der Drohbrief-Affäre informieren zu lassen. Besonderen Raum nahm die Frage ein, ob und in welchem Umfang Beamtinnen und Beamte der hessischen Polizei in den Skandal um die NSU-2.0-Drohungen verstrickt sind.
Nach der Sitzung kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph den Auftritt des Innenministers. Beuth habe den Eindruck vermittelt, als seien ihm die Vorgänge in seinem Haus schon vor längerer Zeit entglitten. „Was wir gesehen haben, war ein rat- und hilfloser Innenminister, dem die Einsicht fehlt, dass er Teil des Problems ist. Alle angeblich neuen Maßnahmen, die missbräuchliche Abfragen in den Datenbanken der Polizei künftig verhindern sollen, kommen zu spät. Das erste NSU-2.0-Drohschreiben ist im Sommer 2018 aufgetaucht, bereits damals führte die Spur zu einem Computer der hessischen Polizei. Aber erst jetzt, zwei Jahre und mehr als 60 Drohbriefe später, sollen zusätzliche Abfragesicherungen für die internen Datensysteme eingerichtet werden. Das dokumentiert, wie sehr der Innenminister das Problem des Rechtsextremismus innerhalb seiner Sicherheitsbehörden unterschätzt hat“, sagte Rudolph.
Statt auf die ersten Anzeichen, dass es Rechtsextreme im Polizeidienst geben könnte, entschlossen zu reagieren, habe Beuth die Dinge einfach treiben lassen. „Der Minister hat für sich entschieden, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und damit das Problem des Vertrauens- und Ansehensverlusts für die hessische Polizei unnötig vergrößert“, so Rudolph.
Er kritisierte zudem den schleppenden Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die auch nach Monaten keine greifbaren Ergebnisse gezeitigt hätten. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte in der Sondersitzung des Innenausschusses unter anderem die Einschränkungen infolge der Corona-Krise als Grund für Verzögerungen, beispielsweise bei Zeugenvernehmungen, angeführt. Dazu sagte Günter Rudolph: „Das Virus kann keine Entschuldigung dafür sein, dass Zeugen spät oder noch gar nicht vernommen worden sind. Auch dass Beweismaterial nicht sichergestellt wurde, lässt sich mit Corona weder erklären noch entschuldigen.“
Die Sicherheitsbehörden in Hessen benötigten eine neue Führungskultur, so Rudolph. Wenn sich ein Beamter ideologisch radikalisiere, dürften die Kolleginnen und Kollegen nicht wegschauen und schweigen. „Der demokratische Staat muss gerade bei der Polizei gelebt und verteidigt werden. Dazu gehört, dass Personen, die sich von den Werten des Grundgesetzes entfernen, frühzeitig identifiziert werden. Falsch verstandene Kollegialität ist da völlig fehl am Platz“, sagte Günter Rudolph.
Der Innenminister, der in der Drohbrief-Affäre bisher eine ausnehmend schlechte Figur gemacht habe, müsse darüber nachdenken, wie er seiner politischen Verantwortung gerecht werden wolle. „Peter Beuth steht als Innenminister für Orientierungslosigkeit und Chaos in der hessischen Polizei. Es ist nicht erkennbar, dass er den glaubwürdigen und erfolgreichen Neuanfang einleiten kann, den die Polizei in unserem Land nun braucht“, so Rudolph.